Montag, 26. März 2012

Kükenschwemme, yeah!


So, jetzt aber! Die zweite Runde Bruten sieht viel besser aus. Da diesmal viele Nester gleichzeitig ähnlich weit entwickelt sind, kommen die Ratten mit Fressen und die Philornis-Larven mit Saugen nicht so recht hinterher. Haben gestern 4 Nester mit frisch ausgeflogenen Küken gehabt. Bei einem waren wir sogar live dabei, wie ein Küken vom Nestrand gesprungen ist :D Unglaublich süß.

Froschhausen

Ich würde gern die Geschichte kennen, die hinter diesem alten (und top gepflegten!) Ford steckt. Stadt Seligenstadt, Gemeinde Froschhausen. Und jetzt: Puerto Ayora, Galapagos.


Wilson

Unglaublich, dass dieses Foto einen der seltenen Momente eingefangen hat, in denen Wilson (ganz links) nicht lacht! Wilson ist seit Jahren unser treuer Taxifahrer. Er hat jetzt ein neues Auto, und er hat es, um uns zu überraschen, "Movil Pinzon" (pinzon = Fink) genannt. Sein voriges Taxi trug den Namen seiner Frau auf der Windschutzscheibe.
Nun steht er drei Monate lang jeden einzelnen Tag (auch sonntags!) früh auf, um uns ins Hochland zu fahren und mittags wieder abzuholen. Wilson ist so super zuverlässig, dass alle Wissenschaftler mit ihm arbeiten wollen – aber wir waren zuerst da :)

Ohne Wilson wäre alles komplizierter und vieles gar nicht möglich. Er hilft uns bei Wohnungssuche und Umzug, zeigt uns, wo man am besten und günstigsten essen kann, leiht uns seine Küchenausstattung (die er selber nur benutzt, wenn seine Familie vom Festland zu Besuch kommt), fährt mich zum Arzt, wenn ich zu schwach bin um die 100m zu laufen – telefoniert dem dann hinterher (weil der sich sonstwo rumtreibt), damit er mich behandeln kommt, er weiß immer den neuesten Klatsch und Tratsch, fährt zufällig genau in dem Moment an mir vorbei, als ich versuche, die 20l-Wasserflasche unsere Treppe hochzuwuchten (und reißt sie mir natürlich sofort aus der Hand)... solche Sachen, und noch viel mehr.

Also, vlnr: Wilson, Arno (Masterstudent der Uni Wien), Angel (auch langjährig treuer ecuadorianischer Feldasstistent – er hat für uns seine besser bezahlte Arbeit auf einem Touristenboot aufgegeben!), Birgit, Movil Pinzon. Und ich.

Artificial Nests

Erinnert ihr euch an Birgit? Sie hat hier jahrelang das Mangrovenfink-Projekt geleitet und war die letzten 2 Feldsaisons für mich die wichtigste Anlaufstelle für alle biologischen und lebenspraktischen Anliegen. Und dann ist sie mit ihrer Familie (Mann, 3 Kinder) von Frankreich aus losgesegelt um die Welt - um nun nach 1,5 Jahren rechtzeitig zu Beginn dieser Feldsaison auf Galapagos Station zu machen! Was für eine Wiedersehensfreude.

Außerdem unterstützt sie uns tatkräftig im Projekt. Zum Beispiel mit schon im Mangrovenwald erprobten künstlichen Nestern. Es ist nämlich nicht immer eindeutig, wer Schuld hat, wenn man ein leeres Finkennest findet. Es kann sein, dass die noch sehr kleinen Jungen gestorben sind und die Eltern die toten Küken aus dem Nest geworfen haben. Es kann aber auch sein, dass Eier oder Küken geräubert wurden. Nur von wem? Zumindest potentielle Eierräuber lassen sich mit der "Artificial Nest"-Methode ganz gut identifizieren.
Man hängt also aus Kokosfasern gebaute Nester auf, in denen sich an Drähten befestigte Plastillin-Eier befinden, die mit Eigelb bestrichen sind (damit sie nicht nur nach Ei aussehen, sondern auch nach Ei riechen). Und wenn nun eine Ratte, eine Maus, irgendein Vogel oder was auch immer sich an den Eiern zu schaffen macht, hinterlässt das Spuren in der Knetmasse – denn wegtragen können sie die Eier nicht, sie sind ja fest an Drähten verankert. Clever, oder?
Ein typisches von Ratten angenagtes Ei sieht dann so aus:

Und wir so

Ich erzähl immer von Bruterfolgs-Studien, aber ihr fragt euch bestimmt (!), was genau wir eigentlich den ganzen Tag machen. Typischerweise verbringen wir die ersten 6-8 Stunden des Tages direkt oben im Scalesia-Wald. Erst mal suchen wir Nester von Warbler Finches und Small Tree Finches. Die findet man entweder durch Hingucken (es sind typischerweise grüne Bälle aus Moos in den äußeren Zweigen der Scalesia-Bäume; gerade Warbler Finches bauen aber gern Nester die fürs menschliche Auge unsichtbar in schon vorhandenen Moosauflagen der Äste verschwinden) oder durch Hinhören (wenn das Männchen ein Nest hat, singt es oft in der Nähe, um Weibchen anzulocken. Wenn es schon ein Weibchen hat, hört man oft die typischen Kontaktrufe und muss dann nur noch warten, bis das Pärchen einem sein Nest "zeigt"). Das klingt jetzt eindeutiger und einfacher als es sich meist in der Praxis darstellt. Ein Nest finden kann gut bedeuten, sich erst mal 2 Stunden durch die Mora zu schlagen mit der Machete – und dann haben wir oft Nester, die von Warbler Finch Pärchen gebaut werden, dann von einzelnen Small Tree Finch Männchen mit Gewalt übernommen werden, ein paar Tage später einfach verlassen sind – und plötzlich brüten Small Ground Finches darin. Verrückt.
Aktive Nester unserer beiden Fokus-Arten jedenfalls werden markiert und alle paar Tage besucht, um durch Beobachtung herauszufinden, in welchem Status sie sich befinden – also ob es schon ein Weibchen gibt, ob noch gebaut wird (das Weibchen macht den Innenausbau), oder ob schon Eier gelegt werden. Sobald gebrütet wird, machen wir mindestens alle 3 Tage Nestkontrollen mit einer endoskopischen Kamera (praktisch, weil die Nester eben oben geschlossene Kugeln sind, mit einem kleinen Eingang an der Seite, durch den man mit dieser Kamera reingucken kann), um zu sehen, wie viele Eier drin sind und ob schon Junge geschlüpft sind. Sobald ein Nest z.B. von Ratten geräubert wurde oder die Jungen gestorben sind, schneiden wir es herunter und nehmen es mit. Wenn die Jungen länger überleben, kommen wir gegen Ende der Nestlingszeit jeden Tag, um zu sehen, ob sie die letzten Tage schaffen und ausfliegen. Sobald sie das Nest verlassen haben, schneiden wir es ebenfalls runter und nehmen es mit.
Nachmittags dann gucken wir die mitgenommen Nester nach Fliegenlarven durch – die sitzen nämlich in den inneren Polsterschichten. Wir sammeln die Larven und Puppen raus, zählen sie und bewahren die älteren, die sich schon ohne weitere Nahrung verpuppen können, auf, um die erwachsenen Fliegen dann weiterzugeben an andere Forschergruppen. Wir schauen auch nach den Superparasiten (bisher noch keine gefunden), und natürlich gucken wir uns die toten Küken an und suchen nach Anzeichen für Fliegenbefall – denn es kann ja auch sein, dass sie nicht wegen Philornis gestorben sind.


Das sind die Hauptaspekte der Arbeit, aber es gibt noch einige kleine Nebenprojekte... und immer alle Hände voll zu tun.

Was lockt die Fliege ins Finkennest?

Eine andere Wissenschaftlergruppe aus den USA saugt mit kleinen Pumpen die Luft aus Finkennestern in verschiedenen Stadien, um die Geruchsstoffe darin zu analysieren und herauszufinden, welche Komponenten denn nun die Philornis anlocken. Auf der Basis dieser Ergebnisse kann man dann evtl. wirksame Fliegenfallen entwickeln.
Es war bei diesem Nest eine ziemliche Aktion, den Schlauch am Nest anzubringen – aber die beiden Finkeneltern haben währenddessen ganz in Ruhe ihre Küken weitergefüttert, als wäre nichts Besonderes los. Einer vom Nationalpark war dabei, um sich die Methode anzugucken und abzusegnen - und wir waren alle sehr froh, dass weder das Anbringen des Schlauchs noch das laute Pumpengeräusch die Vögel zu stören scheint.


Selbstbedienungstankstelle für Insektizide

Ich will euch mal zeigen, was andere Wissenschaftler-Gruppen so machen, als Resultat des Philornis-Workshops im Februar. Diese Idee der Insektizidtankstelle wurde geboren, als mittags während der Siesta immer wieder Finken auf die Terrasse der Wissenschaftlerunterkünfte kamen, um Baumwollfasern aus den Hängematten zu stehlen zum Auspolstern ihrer Nester. Um die Philornis als Notfallmaßnahme kurzfristig einzudämmen, hat sich nämlich bewährt, die Nester der Vögel von innen mit Insektiziden zu besprühen. Das ist aber nur anwendbar bei Nestern, die sehr niedrig gebaut und so mit Leitern erreichbar sind (z.B. in der Trockenzone in Kakteen). Bei uns oben im Scalesia-Wald sind die meisten Nester auf 7-8m Höhe, im Mangrovenwald sogar bei 20m – und außerdem so weit außen im Baum, dass sie für Menschen unerreichbar sind. Warum also nicht den Bedarf an weichem Polstermaterial ausnutzen und die Vögel das Insektizid selber in ihre Nester tragen lassen? Dazu läuft gerade eine Vorstudie mit diesen Wattespendern (erst mal mit trockener Watte, später wird die dann mit Insektizid getränkt), um zu sehen, wie gut sie angenommen werden. Die Ergebnisse sind noch nicht da, aber wir haben einige Vögel mit Watte im Schnabel umherfliegen sehen – jetzt muss sich das nur noch unter den Viechern rumsprechen!