Sonntag, 14. Dezember 2008

Umfrage:


In welche Richtung dreht sich denn bei euch eigentlich das Wasser im Abfluss? In dieser Toilette fließt es ohne Wirbel ganz gerade nach unten ab, was mit Sicherheit daran liegt, dass wir hier fast auf dem Äquator sitzen. Wie siehts bei euch aus?

Biologische Brombeerkontrolle


Letztes Jahr hatte ich euch von der Mora (Brombeere) erzählt, die hier langsam den Scalesia-Wald erstickt. Gift hatte kurzfristig Besserung gebracht, aber die Pflanzen kamen schnell zurück und wuchern wie zuvor. Der nächste Plan ist, einen moraspezifischen Rost-Virus einzusetzen, der aber vorerst auf Unschädlichkeit gegenüber den einheimischen Pflanzen getestet werden muss. Die endemische Tierwelt hat hingegen eigene Sofortmaßnahmen ergriffen, um die piekenden Ranken in ihre Schranken zu weisen: Wie wir diese Woche beobachten durften, rupfen Woodpecker Finches Morazweige ab, entlauben sie, und benutzen sie als Werkzeuge, um mit ihnen fette Insektenlarven aus Totholz zu holen. Dieser hier hatte es mit einem sehr tief sitzenden Leckerbissen zu tun und brauchte ein dementsprechend langes Werkzeug.


Es wird spannend: Heute haben wir den ersten Sender angebracht, morgen wird der erste Trockenzonen-Vogel freigelassen. Hoffen wir, dass die Ausrüstung funktioniert und wir seine Spur nicht verlieren!

Überlebenstraining

So. Dieses Mal machen wir ja nicht nur Experimente, sondern wollen, wenn wir die Vögel wieder freilassen, einige von ihnen besendern und somit die Wiedereingliederung in ihre natürlichen Habitate mitverfolgen. Bisher weiß man nämlich noch gar nicht, wie es diesen Vögeln nach so langer Zeit in Gefangenschaft ergeht, wenn man sie wieder nach Hause entlässt.

Zunächst sollen 4 der Woodpecker Finches aus der Trockenzone entlass
en werden, die wir seit ca. 70 Tagen in Gefangenschaft halten. Und ich agiere als Überlebenstrainerin und bin dafür zuständig, sie fürs Leben in freier Wildbahn vorzubereiten, denn hier in der Trockenzone muss man ziemlich hart arbeiten für sein täglich Brot. Insekten, wenn es sie denn gibt, verstecken sich in Bohrlöchern im Totholz oder unter Baumrinde, und dem ist dann oft nur durch Werkzeuggebrauch (und mit viel Ausdauer!) beizukommen.


Also verbringe ich im Moment die Tage damit, die Volieren mit natürlichen Substraten zu versehen, mir jeden Tag neue Verstecke für Falter und anderes Kleinzeug auszudenken, den Werkzeugnachschub zu gewährleisten – und mich totzulachen. Drei der Vögel sind nämlich noch Jungtiere, die sich mit unglaublichem Enthusiasmus auf die angebotenen Kaktusstachel stürzen, sie in Sekunden zerpflücken und dann tatsächlich damit den ganzen Tag unermüdlich in toter Rinde und Astlöchern herumstochern. Mit nicht sooo routiniertem Erfolg, wie sich zeigte. Dennoch, es scheint zu reichen, jedenfalls haben sie in den letzten 5 Tagen kein Gewicht verloren.
Und ich habe meinen Spaß beim Zuschauen.

Montag, 24. November 2008

Paketflut


An einem Tag 4 Pakete – das kann nur bedeuten, dass meine Post vom letzten Jahr endlich angekommen ist! Aber ein Blick auf die Poststempel offenbart etwas noch unglaublicheres: Alle sind von diesem Herbst, und weil ich zufällig am Tag der Ankunft der Pakete auf dem Postamt war, waren 2 davon von Deutschland aus nur 11 Tage unterwegs. Da übersieht man dann auch gern, dass eins der Päckchen schon seit 4 Wochen auf dem Amt herumlag ohne ausgeliefert zu werden... und überhört den Kommentar der Frau am Schalter, dass ich, wenn ich die Schokolade darin nicht mag, es ja zurückbringen kann – sie würde sich sehr freuen: „Ihr Ausländer kriegt doch zu Weihnachten immer Schokolade geschickt!“. Woher sie das wohl weiß. Ich jedenfalls ahne, was mit all meinen Paketen vom letzten Jahr geschehen ist.
Falls ihr euch fragt, wie es mir geht: Alles bestens. Das Leben zieht seine Bahnen, mehr oder weniger wichtige Ereignisse kommen und gehen. Was mich hier auf der Insel bewegt hat in letzter Zeit: Die US-Wahlen (ja, es gab diverse Wahlparties), der Dollarkurs, die steigenden Lebensmittelpreise, diverse Konzerte mit Berühmtheiten vom Kontinent im Rahmen einer Innenministeriums-Kampagne, der Beginn der Mango-Saison, Allerseelen (inklusive dem traditionellen Verkauf von Colada morada (à was Leckeres zum Trinken), der am Totensonntag beginnt und nach ein paar Wochen wieder abebbt), unser Umzug in eine winzige Wohnung an einer lauten Straße und ohne Draußensitzmöglichkeit, der Abschied von zwei alten Freunden vom letzten Jahr, die Post, die sich verschlechternden Bedingungen für Wissenschaftler an der Station, der Mangrove-Finch-Workshop auf Isabela (darüber mehr, sobald ich alle Infos habe), die ersten Hefebrötchen aus dem eigenen Ofen, gute und weniger gute Bücher, der Schnee in Deutschland, unsere endlich eingetroffene Telemetrieausrüstung), der erste internationale (!) Galapagos-Triathlon und vor allem: siehe unten.

Galapagos en bici

Meine 50km-Wahnsinns-Fahrradtour eines samstags nach Garrapatero (der Strand in der Trockenzone an der Südostküste der Insel, wo wir letzte Saison so viele Wochen mit Vogelfang verbracht haben). Was an dem Tag passiert ist, ist mir ehrlich gesagt immer noch ein Rätsel. Ein Freund von mir hatte diesen Traum, eines Tages mal da runter zu fahren – er ist ein ziemlicher Fahrradfreak und sehr fit. Und richtig mit aerodynamischem Helm, Handschuhen, superteurem Mountainbike und der richten Ernährung am Tag vorher. Und ich, aus Selbstkasteiungssucht vielleicht, habe beschlossen, mitzufahren. Die ersten 8km bis Bellavista geht’s fast nur bergauf, und zwar teilweise steilst. Dann 10km nach Cascajo etwas leichter bergauf. Und der Rest ist Abfahrt auf fieser Schotterpiste mit tollem Ausblick auf den Strand. Na ja, wer mich kennt, weiß, dass ich seit vielen Jahren so was nicht machen konnte wegen meinen kaputten Knien, aber ich wollte jetzt einfach mal Grenzen austesten. Mein Ziel: bis Bellavista kommen, dann mit nem Taxi zurück. Meine Vorstellung: mit Höllenschmerzen in Knien und Hüften zusammenbrechen und mindestens eine Woche nicht gehen können. Aber das sollte es mir wert sein. Also am gleichen Morgen noch schnell zum Fahrradladen, funktionierende Pedale montieren lassen und mal ein bisschen Luft in die Reifen – und los. Dank meiner ambitionierten Begleitung, die ich dann auch erst in Bellavista wiedergesehen habe, bin ich also in einem unglaublichen Tempo die Berge hochgeheizt (25min für die erste Teilstrecke!). Und was als erstes aufgegeben hat, waren nicht etwa meine Knie oder meine Kondition oder meine Muskelkraft oder mein Schrottfahrrad. Nein. Mein Hintern tat mir so wahnsinnig weh, weil ich 4l Wasser mit hatte und der Rucksack mir meinen ganzen Oberkörper nachdrücklich in den harten Sattel presste. Wenn man so was nicht gewohnt ist... Ausgelacht wurde ich noch für mein vieles Gepäck, aber als mein Begleiter seine lächerlichen 0,75l Wasser noch auf dem Hinweg aufgebraucht hatte, wurde die Last auf meinen Hintern dank schnell reduzierten Wasservorrats schnell geringer. Tja. Und das war dann auch wirklich schon das größte Problem der ganzen Tour.

Die hier fanden wir auf dem Weg mitten in der Trockenzone, sehr ungewöhnlich, aber schön bizarr:


Schön im Wind und Nieselregen kamen wir am Strand an, wo man echt nicht bleiben konnte, weil einem der puderfeine Sand sofort in alle Poren flog. Also nur kurz schwimmen, was essen, und wieder zurück. Auf dem Rückweg gab’s es dann ein paar schöne kurvige Bergab-Asphaltstrecken, weswegen mein Begleiter mich ab Bellavista dann auch erst mal nicht mehr gesehen hat, hehe.
Und dann nach Hause. Warten auf den Schmerz. Und er kommt nicht. Gar nicht. Ich kann’s gar nicht glauben - wo’s mich doch sonst auf dem 5min-Weg zur Station manchmal schon zwickt. Aber nein, auch nach 2 Tagen noch keine Nachwirkungen. Und nicht mal Muskelkater! Wo doch meine Oberschenkelmuskeln nach all den Bergen so unglaublich gebrannt haben. Was war da los? Kann mir das jemand erklären? Für mich jedenfalls das körperliche Erfolgserlebnis des Jahrzehnts – und vielleicht ja ein Wendepunkt.