Samstag, 25. Oktober 2008

Luxus ll


Ich vermisse wirklich unglaublich das Leben auf dem Stationsgelände. Mit seinen ständigen zufälligen Begegnungen – jede Woche zog ein anderer Wissenschaftler ins Nachbarquartier ein und hatte irgendwelche spannenden Geschichten zu erzählen -, mitten im Grünen, mit Meeresrauschen zum Einschlafen und diesem atemberaubenden Blick beim Aufwachen: Das erste, was ich morgens immer sah, ohne auch nur den Kopf drehen zu müssen, war der rosa Himmel mit der genau in meinem Blickfeld aufgehenden Sonne und davor der Trockenwald mit seinen tausend Kakteen, orange von der Seite angestrahlt. Dahinter der Ozean. Ein paar Vögel. Sonst nichts.
OK, ich musste neben dem brummenden Kühlschrank schlafen, das Zimmer war nicht mückendicht und das Bad hatte zum Zimmer hin nur halbhohe Wände, von den Nachbarn trennte uns nur eine dünne Holzwand, überhaupt gab es null Privatsphäre und ständig fiel das Wasser aus.


Aber man konnte schon von weitem sehen, wenn jemand den Weg hoch kam um uns zu besuchen. Eduardo schrie schon von weitem: „Sophia! Irma! Vamos a Tortuga!“ Maria kam jeden Tag zum Saubermachen und versteckte dabei immer ein paar wichtige Sachen oder verschleppte Töpfe ins Nachbarquartier. Man hörte sofort, wenn drüben bei den chicos was los war, weil deren Küchengeräusche bis in unser Zimmer reichten. Man musste nur die Tür aufmachen, und es kamen ein paar Vögel rein auf ihrem Routine-Morgenspaziergang – oder auf ihrem Nachtausflug, wie die Eule. Und die Geckos! Überall schossen sie die Wände und Fenster entlang, nur um uns zu amüsieren.

Tja. Hier hab ich nun ein eigenes Schlafzimmer, ein dichtes Mückennetz vor der Tür, aber halt auch keine Geckos oder Vögel. Keinen Ausblick (direkt vor meinem Fenster ist ne weiße Mauer, es ist unglaublich dunkel im Zimmer), keine Besuche, keine Begegnungen mit Wissenschaftlern (der Comedor, sonst Brennpunkt der sozialen Begegnungen, hat ja auch immer noch zu!). Was rauscht, ist vielleicht die entfernte Hauptstraße. Bäcker und Waschsalon sind nah, aber das haut’s nun auch nicht raus.
Ja, und warum das alles? Weil der Vertrag zwischen Max-Planck-Institut und Station ausgelaufen ist, der dafür gesorgt hat, dass ersteres jedes Jahr nen Haufen Geld überweist, damit zweitere deren Wissenschaftler für umsonst in den Stationsquartieren wohnen lässt. Jetzt müssten wir selber dafür blechen – aber 20$ pro Nacht und Person sind selbst für uns reiche Europäer zu viel.

Und nun ein bißchen Conservation:

Ich habe hier ein seltsames Viech entdeckt, was mir letztes Mal nicht untergekommen war:


Am gleichen Tag fand ich das hier am Strand...


... und war ganz schön erschrocken. Marienkäfer? Hier? Und noch am gleichen Abend las ich zufällig, dass tatsächlich Marienkäfer im Jahr 2002 auf einigen Inseln bewusst ausgesetzt wurden, um obiges Tier unter Kontrolle zu bringen. Dieses Tier heißt „Cottony Cushion Scale Insect“, sieht wirklich aus wie aus Baumwolle, stammt wie der eingeführte Marienkäfer aus Australien [ich weiß allerdings nicht, ob es wirklich der vom Foto ist] und ernährt sich von Pflanzensäften. Es war wohl so, dass diese Insekten, die hier 1982 erstmalig gesichtet wurden, sich massenhaft vermehrt haben und so schließlich viele endemische Pflanzenarten bedrohten. Die Mangroven hier in der Stadt z.B. bekamen schwarze Blätter und gingen ein, gleiches passierte mit Mangroven auf Isabela (dort, wo die letzten wenigen Mangrove Finches leben!). Also hat man ein bisschen geforscht und herausgefunden, dass dieser Marienkäfer wirklich nur dieses eingeschleppte Insekt fressen würde und selber nicht giftig wäre für Vögel oder andere potentielle Fressfeinde. Tja, und dann hat man einfach Tausende von den Käfern ausgesetzt. Gewagt, was? Aber es scheint gutgegangen zu sein. Die Mangroven haben sich sehr gut erholt und es konnten keine negativen Auswirkungen dieser Aktion festgestellt werden. Nun ja. Es bleibt abzuwarten, ob die Marienkäfer wirklich verhungern, wenn keine Cushion Scale Insects mehr da sind, oder ob sie dann nicht doch auf einheimische Arten übergehen. Angeblich ist das aber nicht zu befürchten.

Ich habe heute zum Glück nicht aktiv werden müssen in Sachen Artenschutz: Eine ganz junge wilde Katze lief mir bei den Schildkrötengehegen in Sichtweite über den Weg [merke: Katzen fressen kleine Schildkröten und Iguanas und Lava-Echsen und Darwinfinken – und sie vermehren sich unkontrolliert]. Ich kann natürlich keine Katze umbringen oder fangen um sie umbringen zu lassen, also war ich ganz froh, als sie mich sah und flugs ins Dorngebüsch verschwand. Aber eh – die Station hat Leute, die hier regelmäßig auf Katzenfang gehen. Nachts. Damit keine Touristen zugucken können.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

neuer Rekord

Irm hat heute einen Brief bekommen, der vor 10 Monaten in Dänemark abgeschickt wurde. Heißt das etwa, es besteht noch Hoffnung für meine verlorenen Weihnachtspäckchen vom letzten Jahr? Vielleicht liegen sie doch in irgendwelchen Lagern der Station, weil sich mein Name noch nicht bei allen 150 Mitarbeitern herumgesprochen hat?

Montag, 6. Oktober 2008

Mein Hilferuf nach Essensvorschlägen war übrigens ernst gemeint. Ich habe im Supermarkt tatsächlich meine Lieblingssorte Ritter Sport entdeckt, und sie kostet nur noch halb so viel wie letztes Mal: 2,90$. Und wisst ihr was? Ich habe sie nicht gekauft. Die Lage ist ernst! Ich hab schon jeden Tag Sodbrennen wegen Weißbrot mit Nutella, weißem Reis mit Ei und Ketchup sowie diversen übersüßten Milchmixgetränken.

Und was mache ich diesmal hier?

Weil so viele Nachfragen kamen: Nein, das hier ist nicht meine Diplomarbeit. So war eigentlich der Plan, aber weil es immer bis in die letzte Sekunde so unvorhersehbar ist, ob man die Erlaubnisse fürs Arbeiten hier bekommt, und weil neben dem eigentlichen Projekt, was ja diesmal weitergeht, einfach nicht genug Zeit für was Eigenes gewesen wäre, habe ich mich für den unkomplizierten Weg entschieden und arbeite wieder einfach so mit. Im Wesentlichen machen wir das gleiche wie im letzten Jahr bzw. das, was wir letztes Mal nicht geschafft haben – ein paar mehr Vögel testen, um die nötigen Stichprobengrößen zusammenzubekommen, ein ganz neues Experiment, und dann hinterher wollen wir die freigelassenen Tiere telemetrieren und draußen beobachten, um zu sehen, wie sie nach so langer Gefangenschaft überhaupt zurechtkommen. Damit gibt’s nämlich noch überhaupt keine Erfahrungen hier auf der Station.

Nebenbei testen wir noch eine ganz andere Art: Den Medium Ground Finch (siehe Porträt der Groundfinches in einem Beitrag vom letzten Mal), den sie hier zufällig grad in genügender Zahl in unseren Volieren halten. 2 von ihnen haben die erste Aufgabe schon gelöst:


Müder, gesichtsloser Haufen [Sorry. Ich hoffe, ich kann das bald revidieren]

Gerade kam Irm mit ner Flasche Rum nach Hause und wir hatten unseren ersten Cuba Libre. Währenddessen spielte einer unserer damals engsten Freunde, der jetzt zufällig mit unserer Feldassistentin zusammen und daher zum 4. Mitbewohner geworden ist, etwas Salsa von seinem Notebook... das verpasste uns den ersten wirklich nostalgischen Moment, seit wir hier sind. Mit den neuen Chicos in der Station ist wirklich überhaupt nichts los! Wir sind nun schon 2 Wochen hier, und es gab noch keine einzige Party, nur einen fehlgeschlagenen Ausgehversuch und nicht mal „was trinken“ in deren Küche. Hätten wir nicht das 2xwöchentliche Fußballspielen reanimiert, würden wir die anderen gar nicht zu Gesicht bekommen. Und sie einander wohl auch nicht. Um ehrlich zu sein fehlen aber auch einfach die starken Charaktere vom letzten Jahr, dies diesjährige Truppe scheint nur ein lose zusammengewürfelter, nicht weiter spannender Haufen zu sein. Der Meinung ist sogar Viviana, unsere alte Feldassistentin, die immer noch hier ist um ihre Diplomarbeit zu schreiben – sie vermisst die „alten chicos“ immer noch.

Und so langweilen wir uns jeden Abend. Mit den wenigen Leuten vom letzten Mal ergibt sich einfach nicht so viel, zumal die meisten jetzt nicht mehr an der Station arbeiten und daher irgendwo im Ort wohnen. Es fehlt die treibende Gruppendynamik, die immer so schön unvorhersehbare Abende geschaffen hat. Also vorerst keine wie durch ein Wunder sich selbst auffüllenden Cuba Libres mit umgedrehtem Mischverhältnis (1/4 Cola, ¾ Rum, aber natürlich nur für uns Mädels) mehr, keine Nächte mehr in den Straßen dieser Stadt, mit Flaschen in Papiertüten und einem Späher zur Polizeiumgehung. Keine Tanzveranstaltungen mehr in irgendwelchen Häusern, Zimmern, Küchen (mit auf ze
rknülltem Papier gekritzelten Umgebungsplänen als Wegbeschreibung) mit dem schön internationalen Stationspublikum und ebensolchem Essen. Dabei war das doch der neben der Arbeit wichtigste Grund, warum ich wieder hergekommen bin!