Dienstag, 28. Februar 2012

Die Nachricht, auf die wir die ganze Zeit gewartet haben:

Nach 60 gescheiterten Nestern (gescheitert bedeutet, dass keine Küken lebend das Nest verlassen haben) sind endlich die ersten beiden Küken flügge geworden! Das erfolgreiche Nest heißt WFSCS10, was bedeutet, dass es ein Warbler Finch Nest in der Scalesia Zone ist, gefunden von Sophia, und zwar als zehntes. Ha. Ich nenn die Küken einfach Karl und Klara. Und hoffe sehr, dass sie die nächsten Tage und Wochen auch noch überstehen! Sie sind zwar jetzt den blutsaugenden Larven im Nest entkommen, sind aber wahrscheinlich unterentwickelt, viel leichter als sie sein sollten, und ziemlich geschwächt durch die allnächtlichen unfreiwilligen Blutspenden.

Und damit ihr noch mal ne Vorstellung habt von der schieren Masse der Philornis-Larven, hier ein Bild von einem Küken, das kurz vor dem Ausfliegen war, dann aber verständlicherweise aufgegeben hat. Ich frage mich eher, wie es überhaupt so groß werden konnte in 2 Wochen, bei den ganzen Mit-Essern.


Fotos von den flüggen Küken folgen hoffentlich bald!

Endlich wie früher

Das Galapagos-Gefühl ist zurück! Es nährt sich aus der neuen Nada Surf Platte, der weichen Luft, dem Geruch der Regenzeit, sehr guten Büchern, extremer Schlaflosigkeit und lange überfälligem erfüllendem Sozialkontakt zu anderen "Visiting Scientists" inkl. langen Ausgehabenden in DIE lokale Bar - wobei wir unseren eigenen DJ mitgebracht haben, was den Einheimischen aber auch sehr gut gefallen hat- und nächtlichen Exkursionen zum Stationsstrand (es gibt dort Ruderfußkrebse, die anfangen zu leuchten, wenn man sie berührt... Sternenhimmel unter Wasser, sag ich euch!). Und ich bin dieses Jahr nicht die letzte, die wieder abreist. Muss also nicht so viele Abschiede ertragen, nur einen großen am Schluss. Ach, wir sehen uns eh alle wieder – nächstes Jahr, falls wir Gelder bewilligt bekommen (träumen ist erlaubt, nech?)!

Montag, 13. Februar 2012

Riesensonnenblume vs. Killerbrombeere II

Die Vor-Experimente zur Bekämpfung der Mora mittels eines spezifischen Rost-Virus haben bisher keine Erkenntnisse gebracht. Es wurde also weiter großzügig Roundup gesprüht, was einfach den gesamten Unterwuchs abtötet.
Eigentlich sollte bei den dann aus Samen nachwachsenden Pflanzen (Büsche, junge Scalesia, Kräuter, und eben wieder Mora) die Mora per Machete entfernt werden, bevor die wieder neue Samen bilden kann. Da aber so große Flächen auf einmal gesprüht wurden, war diese aufwändige Arbeit mit dem Personal des Nationalparks gar nicht zu schaffen und wurde daher gar nicht erst angegangen. Resultat: Die 2010 gesprühten Flächen (vorher ein Mix aus Mora und einheimischen Büschen) sind wieder komplett mit einer dicken Mora-Decke zugewuchert. Ein sehr kleiner Teil immerhin wurde gleich nach dem Roundup-Einsatz mit jungen Scalesia aufgeforstet, die jetzt einigen Vorsprung vor der nächsten Mora-Generation haben und vielleicht hoch genug gewachsen sein werden, wenn die Mora neu auskeimen.


Derjenige in der Nationalparkverwaltung, der für die Morabekämpfung zuständig war, wurde vor 2 Wochen gefeuert wegen mangelnder Qualifikation (wie auch 60 weitere Angestellte der Parkverwaltung). Ich hoffe nur, das bedeutet, dass jemand Fähigeres nachrückt. Neu angestellt werden im Park übrigens nur junge Leute bis 25. Jemand Interesse?

Riesensonnenblume vs. Killerbrombeere I

Ihr wisst jetzt, die Scalesia ist ein zerbrechliches Geschöpf. Trotzdem hat sie es über Jahrtausende geschafft, die mittleren Höhenlagen der Inseln bewaldet zu halten. Weil diese Höhenlagen aber auch am besten für die Landwirtschaft geeignet sind (nicht zu heiß, ganzjährig feucht), wurden die Urwälder zum größten Teil gerodet. Auf San Cristobal gibt es schon keine nennenswerten Scalesia-Wälder mehr, und der Restbestand hier auf Santa Cruz ist auf wenige Hektar zusammengeschrumpft. Und, wie ihr vielleicht noch aus den letzten Jahren wisst, wird diese auf kleinem Raum zusammengedrängte Restpopulation nun auch noch von 4m hoch wuchernden Brombeeren (Mora) heimgesucht. Die können den ausgewachsenen Scalesia zwar nichts anhaben und werden außerdem gern von den Finken als zusätzliche Futterquelle genutzt und schützen deren Nester vor Ratten – aber auf lange Sicht verhindern sie das Nachwachsen junger Scalesia oder wichtiger einheimischer Büsche [Foto unten: untere Bildhälfte: Mora. Darüber Scalesia]. Wenn also die jetzt erwachsenen Bäume alle in ein paar Jahren aus Altersschwäche umkippen, wuchert die Mora alles zu und das war's dann mit dem Scalesia-Wald.

Darf ich vorstellen: Scalesia pedunculata.

Dieser Scalesia-Wald, in dem wir arbeiten, ist schon ein Kuriosum. Wenn man die Scalesia als Bäume betrachtet, kann man eigentlich nur den Kopf schütteln. Werden nur ca. 15 Jahre alt und kippen dann um. Sie kippen auch um, wenns mal heftiger geregnet hat, weil sich dann ihre Stämme und das ganze Moos und die Flechten, die an ihnen hängen, so mit Wasser vollsaugen, dass sie das Gewicht nicht mehr tragen können. Wenns mal ein bißchen Wind gibt, kippen sie auch um, denn sie haben kaum Wurzeln. Außerdem stehen sie oft nur wenige Zentimeter tief in Erde, wenn nicht direkt auf der nackten Lava – das gibt kaum Stabilität, und, genau, sie kippen leicht um.

Wenn man sie aber sieht als das, was sie eigentlich sind, nämlich Sonnenblumen mit Riesenwuchs, dann kann man nur staunen, dass sie es überhaupt so weit gebracht haben. Ganz junge Scalesia sehen noch genauso aus wie Sonnenblumen. Sie wachsen so schnell wie Sonnenblumen, zumindest am Anfang. Aber da sie so alt werden, wachsen sie mehr als 15m hoch. Und sehen dann aus wie richtige Bäume, mit holzigem Stamm, verzweigten Ästen, und Blättern an deren Enden (aber eben nur wenigen kleinen Wurzeln).

Wenn man die Rinde der Bäume entfernt, riecht die auch nach Sonnenblume. Ihre Samen sind Miniatur-Sonnenblumenkerne. Die Blütenstände sehen aus wie winzige weiße Sonnenblumen mit zu klein geratenen Zungenblüten. Und wenn man sich mal so einen umgeknickten Stamm anschaut (leicht zu finden, Wind und Regen haben Mikado gespielt in den letzten Tagen!), ist der nicht etwa massiv aus Holz, sondern hat innen so einen weißen Markstrang, wie die Sonnenblumen.

Und: Die Scalesia sind das Zuhause der Baumfinken in dieser Höhenzone. Small Tree Finches, Large Tree Finches und Woodpecker Finches fressen und nisten in ihnen. Sie sind auf die Scalesia angewiesen, weil sie in den höheren, gröber verzweigten eingeschleppen Baumarten wie Sinchona oder Avocado keine Nester bauen könnten. Gut für uns, denn an die niedrigeren Nester in den Scalesia kommen wir besser ran zum Reingucken!



Samstag, 11. Februar 2012

Umzug #187327

Schluss mit der Wissenschaftlerromantik, jetzt wird's ecuadorianisch! Wir sind aus unserem Anfangsdomizil weggezogen, diesmal richtig weit rein in die Stadt, in ein Arbeiterviertel. Es ist laut und hässlich und stinkt und die Recyclingtonnen werden für alles mögliche benutzt, aber nicht für Reclyclingmüll.
Die Wohnung besteht aus Wänden, Wellpappe-Dach, kitschigen Vorhängen und einem großen Fernseher. Es regnet rein, oder besser: durch. Dennoch bleibt das Wasser so lange in der Wohnung, bevor es weiterläuft, dass es alles in Boden- und Wandnähe durchnässt. Wir kochen kaum noch selbst (eh keine Zeit), essen dort, wo die Einheimischen essen, kaufen dort ein, wo sie einkaufen, und schlafen ein unter dem allabendlichen Lärm-Mix aus ihren Rufen, dem Geschrei ihrer so lange aufbleibenden Kinder, dem Jaulen ihrer misshandelten Hunde und ihrer immer übersteuerten Musik.

Leider haben wir in der alten Wohnung auch unseren treuen Freund, den Bananenwächter, zurücklassen müssen – seitdem müssen wir unsere ständig wachsenden Bananenberge (unser Feldassistent deckt uns ein) mit Fliegenschwärmen teilen.

Es ist zur Zeit sehr schwierig, gute Wohnungen zu finden, auch für die Einheimischen. Mal sehen, was sich für März ergibt. Vielleicht fühlen wir dann schon zu ecuadorianisch um wegzuwollen.

Samstag, 4. Februar 2012

Finken vs. Fliegen III

Was haben wir nun mit all dem zu tun? Vorwiegend erfassen wir den diesjährigen Bruterfolg von Small Tree Finches und Warbler Finches in der Scalesia-Zone, um einschätzen zu können, inwieweit die Populations-Einbrüche von 2010 auch der sehr feuchten Witterung in dem Jahr geschuldet sein könnten (Philornis mags feucht und vermehrt sich dann sehr stark).

Wir schauen also, wie viele Nester in diesem (hoffentlich durchschnittlich feuchten) Jahr durchkommen. Und bei denen, die nicht erfolgreich sind, versuchen wir herauszufinden, was die Ursache dafür ist. Dafür sammeln wir die leeren Nester ein, suchen nach Fliegenlarven, untersuchen eventuell vorhandene tote Küken und gucken sonst nach Indizien für z.B. Prädation durch Ratten.

Außerdem sammeln wir alle Larven und Puppen der Philornis aus den Nestern. Diese halten wir einige Zeit, um zu sehen, ob Superparasiten schlüpfen. Wenn sich aus den Puppen normale Philornis-Fliegen entwickeln, geben wir diese weiter an die anderen Arbeitsgruppen, die sich z.B. mit der Pheromonsuche beschäftigen oder versuchen, eine Fliegenzucht aufzubauen, um später in der Lage zu sein, massenhaft sterile Fliegen produzieren zu können. Die Zucht ist bisher noch nicht gelungen, weil keiner weiß, wovon sich die Larven in ihrem ersten Stadium genau ernähren. Sowieso sind einige wichtige Aspekte aus der Biologie und Ökologie dieser Fliege noch komplett unbekannt. Um den Feind effektiv bekämpfen zu können, muss man ihn aber erst mal kennenlernen – mit all seinen Superkräften und Schwachstellen.

Und wir arbeiten daran, alle zusammen.

Finken vs. Fliegen II

Nun sind vor allem kleine insektenfressende Vogelarten hier mittlerweile zum Teil sehr stark bedroht. Was also tun, um sie zu schützen?

In diesen Tagen ist Philornis downsi in aller Munde (zum Glück nicht buchstäblich!). Gerade ist ein mehrtägiger Workshop hier in Puerto Ayora zuende gegangen, auf dem sich Experten aus Ornithologie, Entomologie und Conservation endlich mal zusammengesetzt haben um alle bisher bekannten Infos zusammenzutragen und Rettungspläne zu entwerfen.

Es gibt verschiedene Ansätze, die Philornis unter Kontrolle zu bringen: Zur Soforthilfe sollen Insektizide in die Nester der am schlimmsten betroffenen Arten eingebracht werden, damit die überhaupt ein paar Bruten hochbekommen. Langfristig werden jetzt verschiedene Programme gestartet: zum einen sollen Pheromone identifiziert und dann produziert werden, die im Feld zur Verwirrung der Männchen eingesetzt werden können und so Paarungen und Weitervermehrung verhindern. Eine weitere Chance könnte das massenhafte Ausssetzen sterilisierter Männchen sein – dafür war ein Vertreter der IAEA (!) beim Workshop dabei, der mit dieser Methode z.B. schon die TseTse-Fliege auf Sansibar ausrotten konnte. Warum IAEA? Stichwort "friedliche Nutzung der Atomenergie": die Insekten werden am effektivsten noch durch radioaktive Bestrahlung sterilisiert.

Eine Möglichkeit der biologischen Kontrolle könnte ein "Superparasit" sein: Eine Schlupfwespe, die ihrerseits die Larven der Philornis parasitiert und damit tötet. Es wurden schon zwei Arten solcher Schlupfwespen hier auf den Inseln gefunden, die sich aber, weil sie zu unspezifisch in ihrer Wirtswahl sind, nicht für eine großfläche Bekämpfung eignen. Tests mit einer anderen Schlupfwespenart, die auf dem Festland nur in Larven von Philornis-Arten ihre Eier ablegt, laufen jetzt an.

Irre jedenfalls, wie viel in so wenigen Tagen angestoßen werden konnte, einfach weil man mal die richtigen Leute zusammen an einen Tisch gesetzt hat. Für so Mammutprojekte wie die Sterile Insect Technology fehlt zwar noch das Geld (die Rechnung des IAEA-Menschen kommt auf 50 Mio US$ für die komplette Ausrottung auf allen Inseln des Archipels...), alle anderen Ansätze haben aber zumindest für die Startphase schon ihre Fundings zusammen.



Finken vs. Fliegen I

Die parasitische Fliege Philornis downsi wurde schon 1997 hier entdeckt (eingeschleppt wurde sie wahrscheinlich schon 30 Jahre früher, stammt aus Trinidad) und ist mittlerweile zu einem massiven Problem geworden.


Die Weibchen legen ihre Eier in die Vogelnester, sobald die Küken geschlüpft sind, und wenige Stunden später entwickeln sich die Larven. Diese kriechen dann nachts aus dem Nestboden heraus um sich in die Küken zu bohren und deren Blut zu saugen.Manche Küken überleben das, aber bei starkem und / oder frühem Befall können sie schon nach wenigen Tagen sterben.




Betroffen sind alle bisher untersuchten Vogelarten hier auf den meisten Inseln (ich meine, 2 der bisher untersuchten Inseln sind noch Philornis-frei) – wobei die größeren Arten die nächtlichen Attacken eher überleben als die kleinen, bei denen ein Tropfen Blutverlust schon fatal sein kann.
Ein Besipiel für die Dimensionen dieser Gefahr: 2010 waren nur 2 von 31 gefundenen Small Tree Finch Nestern erfolgreich (das heißt: mindestens 1 Junges ist ausgeflogen). Von den 29 Totalausfällen sind mindestens 40% auf Philornis-Befall zurückführbar.