Mittwoch, 7. März 2012

Raus aus dem Nest. Und dann?

Wenn sie das Nest verlassen haben, werden die Küken noch mal mindestens 3 Wochen von den Eltern gefüttert. In dieser Zeit sterben wieder einige, vor allem wenn sie von Philornis geschwächt waren.
In der ersten Woche nach dem Ausfliegen sitzen die Küken ganz still in einem dichten Busch in Nestnähe und warten auf ihre 5-minütlichen Mahlzeiten. Später dann, wenn sie schon etwas kräftiger sind und ihnen ein Schwanz gewachsen ist, hört man schon von weitem ihre Bettelrufe, mit denen sie den Eltern auf die Nerven gehen. Trotzdem, oder gerade deswegen, bleiben sie immer im dichten Buschwerk, denn mit ihrem Gepiepe locken sie natürlich Fressfeinde an. Vor allem die Sumpfohreule schnappt sich gern mal ein kleines Küken, gern auch schon aus dem Nest. Blöderweise fangen die Küken nämlich im Alter von ca. 8 Tagen an, laut zu betteln, wenn sie denken, dass die Eltern in der Nähe sind. Man möchte ihnen am liebsten die Schnäbel zuhalten... denn so verlieren wir (und sie!) jede Woche 1 Nest an die Eulen.

Da die erfolgreichen Bruten in dieser Feldsaison nun erst so spät hochzukommen scheinen, haben wir leider keine Zeit mehr, uns die Überlebensraten der ausgeflogenen Küken anzuschauen. Wenn es ein "nächstes Mal" gibt, müssen wir unbedingt länger bleiben!

Hier, wie versprochen, ein Foto von einem der ersten ausgeflogenen jungen Warbler Finches (neben dem stolzen Papa):


Füttern, füttern, füttern

Sind die Küken dann mal geschlüpft, geht die Arbeit erst so richtig los. Beide Elternteile suchen den ganzen Tag Futter, um die 2-3 hungrigen Mäuler zu stopfen.


Da ein Teil des Futters gleich in der nächsten Nacht in Form von Blut weitergegeben wird an die Philornis-Larven, ist diese Phase der Kükenaufzucht ein Wettlauf gegen die Zeit. Wird ein Küken zu schwach, um sich aufrecht zu halten, stellt sich das andere meist einfach oben drauf, um seinerseits den Saugattacken der Larven, die aus dem Nestboden gekrochen kommen, zu entgehen. Was das kräftigere Küken zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß: Wenn sein Geschwisterchen stirbt, werfen es die Eltern aus dem Nest. Und dann stürzen sich alle Larven natürlich auf das verbleibende Küken, welches diese Attacke wiederum meist nicht überlebt.
Es gilt also, mindestens zwei Küken gleichzeitig kräftig zu erhalten, dann haben sie eventuell eine Chance zu überleben. Ach, und dann sind da ja noch die Ratten...

Wir warten jedenfalls immer noch auf das zweite erfolgreiche Nest, haben aber schon ein paar aussichtsreiche Kandidaten!

Brüten, brüten, brüten.


Es ist schon ein hartes Geschäft. Man baut ein Nest, oder zwei, versucht ein Weibchen von der eigenen Qualität und der des Nestes zu überzeugen, startet dann mit ihr zusammen den Innenausbau, füttert sie immer wieder, um ihr zu zeigen, dass man für sie mit sorgen kann, und wartet dann auf den Regen. Sobald der Regen kommt, werden die ersten Eier gelegt.
Und dann muss schon vieles zusammenkommen, damit überhaupt die Küken schlüpfen können: Das Nest darf nicht zu exponiert sein, sonst regnet's zu viel rein. Es muss genug Insekten geben, um das auf den Eiern sitzende Weibchen versorgen zu können. Dann wärs noch gut, wenn die Eier überhaupt befruchtet sind (es kann z.B. sein, dass zu nah verwandte Partner untereinander keine fruchtbaren Eier zustande bringen). Und dass der Regen nicht plötzlich wieder aufhört. Wenn man dann das Glück hat, dass keine Ratten oder andere Räuber das Nest finden, stehen die Chancen auf schlüpfende Küken ganz gut. Hier ein Screeshot aus einem Video – wir haben zufällig genau beim Schlüpfen ins Nest gefilmt.


Vor allem am Anfang der Brutsaison haben viele Paare beider Finkenarten das Bebrüten der Eier frühzeitig aufgegeben. Bei manchen Nestern konnten wir Vermutungen über die Gründe anstellen.
Aber dann wurden wir mißtrauisch, weil es immer mehr verlassene Gelege gab, bei denen wir uns nicht vorstellen konnten, was passiert war. Wir haben dann angefangen, diese Nester einzusammeln und auf Philornis-Befall zu untersuchen. Die Experten meinen zwar, dass die Fliegenweibchen erst kommen und ihre Eier legen, sobald die Küken geschlüpft sind (und die Larven sich dann von den Küken ernähren) – aber wir haben in einigen der aufgegeben Nestern auch schon weit entwickelte Fliegenlarven und sogar fertige Puppen gefunden. Sehr wahrscheinlich kommen also die Fliegen schon vorher, und die Larven fressen wohl auch an den brütenden Weibchen. Es ist schwer vorstellbar, wie ein erwachsener, wehrhafter Vogel das zulassen kann, anstatt seinerseits einfach die ihn pisackende Larve zu fressen, aber wir haben keine andere Erklärung.
Es kann also gut sein, dass manche Weibchen ihre Gelege aufgeben, weil sie einfach nachts von Fliegenlarven angebohrt werden. Verständlich! Aber bisher nur Theorie.

Wenn also irgendetwas schiefgegangen ist in diesem komplizierten Prozess, versuchen es die meisten gleich noch einmal. Noch ein Nest bauen, dann meist zusammen mit dem Weibchen, noch mal Eier legen, und diesmal auf mehr Glück hoffen.

Nachwuchssorgen

Wir untersuchen hier also den Bruterfolg zweier Finken-Arten. Oder eher den Brut-Mißerfolg. Bestands-Zählungen haben nämlich nahegelegt, dass in den letzten Jahren der Warbler Finch extrem abgenommen hat, der Small Tree Finch (mit einer ähnlichen Ökologie) hingegen recht stabil geblieben ist. Die Vermutung war nur, dass Warbler Finches, weil sie etwas kleiner sind als Small Tree Finches, mehr unter Philornis zu leiden haben.

Stimmt aber gar nicht. Es scheint sogar andersrum zu sein: Die kräftigeren Small Tree Finches haben einen viel geringeren Bruterfolg als die zierlichen Warbler Finches. Das fiel bei den Zählungen gar nicht auf, weil bei dieser Methode nur singende Männchen (also Brutreviere) gezählt werden. Und da liegt die Gefahr: Da Finken ziemlich langlebig sind (8-10 Jahre hat man schon nachweisen können), fällt es erst mal gar nicht auf, wenn sie jahrelang keinen Nachwuchs hochkriegen, solange die Eltern selber noch leben.

Zum Glück gibt es bei den Small Tree Finches ein kleines Hilfsmittel, um indirekt den Bruterfolg der letzten paar Jahre feststellen zu können: Die Köpfe der Männchen werden Jahr für Jahr immer schwärzer, man kann also anhand der Kopffärbung das Alter der Männchen ungefähr abschätzen [Foto links: mindestens 5-jährig, Foto mitte: ca. 2-jährig, Foto rechts: max. 1-jährig].


Tja, und im Scalesia-Wald wimmelt es nur so vor schwarzköpfigen Tieren (mindestens 4 Jahre alt). Es gibt zwar auch wenige jüngere Männchen und sehr vereinzelt noch nicht geschlechtsreife Jungtiere (erkennbar an ihrem gelben Schnabel, und, bei den Männchen, an ihren Gesangsübestunden – herrlich, ihnen dabei zuzuhören, wie sie versuchen, Töne zu treffen und zu halten, oder einen Rhythmus zu entwickeln!), aber ihre geringe Zahl lässt vermuten, dass es ein generelles Nachwuchsproblem gibt.



Alte Bekannte

Der Knüller: Beim Nestersuchen haben wir 3 Small Tree Finch Männchen wiedergefunden, die wir fürs letzte Projekt (2008) gefangen hatten, um sie für ein paar Wochen in Volieren zu halten und ihnen Kognitions-Aufgaben zu stellen (ihr erinnert euch? Probleme wie "Wie kriegt man diese Box auf?" oder "An welchem Ende des Drahtes muss ich ziehen, um die Belohnung aus der Röhre zu befördern?"). Sie brüten genau in den Revieren, aus denen wir sie damals weggefangen hatten!

Und Yellow-white (wir benennen sie nach ihren Ringfarben, wie ihr ja längst wisst), der sich diesen Aufgaben als einziger komplett verweigert hatte, ist jetzt der absolute King im Wald, der mit dem größten Revier, der, der sogar neben den Nestern seiner Nachbarn ungestraft singen darf – was normalerweise ein Kapitalverbrechen ist. Was wir noch wissen: Er ist schon mindestens 8,5 Jahre alt!

Jedenfalls, Intelligenztests hin oder her – alle 3 sind mit ihren ersten Brutversuchen gescheitert, und 2 von ihnen haben gerade die zweite Runde gestartet. Vielleicht sollten wir nächstes Mal in den Volieren lieber ein praxisorientiertes Fortpflanzungstraining anbieten anstelle von abstrakten Denkaufgaben.

Dienstag, 28. Februar 2012

Die Nachricht, auf die wir die ganze Zeit gewartet haben:

Nach 60 gescheiterten Nestern (gescheitert bedeutet, dass keine Küken lebend das Nest verlassen haben) sind endlich die ersten beiden Küken flügge geworden! Das erfolgreiche Nest heißt WFSCS10, was bedeutet, dass es ein Warbler Finch Nest in der Scalesia Zone ist, gefunden von Sophia, und zwar als zehntes. Ha. Ich nenn die Küken einfach Karl und Klara. Und hoffe sehr, dass sie die nächsten Tage und Wochen auch noch überstehen! Sie sind zwar jetzt den blutsaugenden Larven im Nest entkommen, sind aber wahrscheinlich unterentwickelt, viel leichter als sie sein sollten, und ziemlich geschwächt durch die allnächtlichen unfreiwilligen Blutspenden.

Und damit ihr noch mal ne Vorstellung habt von der schieren Masse der Philornis-Larven, hier ein Bild von einem Küken, das kurz vor dem Ausfliegen war, dann aber verständlicherweise aufgegeben hat. Ich frage mich eher, wie es überhaupt so groß werden konnte in 2 Wochen, bei den ganzen Mit-Essern.


Fotos von den flüggen Küken folgen hoffentlich bald!

Endlich wie früher

Das Galapagos-Gefühl ist zurück! Es nährt sich aus der neuen Nada Surf Platte, der weichen Luft, dem Geruch der Regenzeit, sehr guten Büchern, extremer Schlaflosigkeit und lange überfälligem erfüllendem Sozialkontakt zu anderen "Visiting Scientists" inkl. langen Ausgehabenden in DIE lokale Bar - wobei wir unseren eigenen DJ mitgebracht haben, was den Einheimischen aber auch sehr gut gefallen hat- und nächtlichen Exkursionen zum Stationsstrand (es gibt dort Ruderfußkrebse, die anfangen zu leuchten, wenn man sie berührt... Sternenhimmel unter Wasser, sag ich euch!). Und ich bin dieses Jahr nicht die letzte, die wieder abreist. Muss also nicht so viele Abschiede ertragen, nur einen großen am Schluss. Ach, wir sehen uns eh alle wieder – nächstes Jahr, falls wir Gelder bewilligt bekommen (träumen ist erlaubt, nech?)!