Montag, 26. März 2012

Kükenschwemme, yeah!


So, jetzt aber! Die zweite Runde Bruten sieht viel besser aus. Da diesmal viele Nester gleichzeitig ähnlich weit entwickelt sind, kommen die Ratten mit Fressen und die Philornis-Larven mit Saugen nicht so recht hinterher. Haben gestern 4 Nester mit frisch ausgeflogenen Küken gehabt. Bei einem waren wir sogar live dabei, wie ein Küken vom Nestrand gesprungen ist :D Unglaublich süß.

Froschhausen

Ich würde gern die Geschichte kennen, die hinter diesem alten (und top gepflegten!) Ford steckt. Stadt Seligenstadt, Gemeinde Froschhausen. Und jetzt: Puerto Ayora, Galapagos.


Wilson

Unglaublich, dass dieses Foto einen der seltenen Momente eingefangen hat, in denen Wilson (ganz links) nicht lacht! Wilson ist seit Jahren unser treuer Taxifahrer. Er hat jetzt ein neues Auto, und er hat es, um uns zu überraschen, "Movil Pinzon" (pinzon = Fink) genannt. Sein voriges Taxi trug den Namen seiner Frau auf der Windschutzscheibe.
Nun steht er drei Monate lang jeden einzelnen Tag (auch sonntags!) früh auf, um uns ins Hochland zu fahren und mittags wieder abzuholen. Wilson ist so super zuverlässig, dass alle Wissenschaftler mit ihm arbeiten wollen – aber wir waren zuerst da :)

Ohne Wilson wäre alles komplizierter und vieles gar nicht möglich. Er hilft uns bei Wohnungssuche und Umzug, zeigt uns, wo man am besten und günstigsten essen kann, leiht uns seine Küchenausstattung (die er selber nur benutzt, wenn seine Familie vom Festland zu Besuch kommt), fährt mich zum Arzt, wenn ich zu schwach bin um die 100m zu laufen – telefoniert dem dann hinterher (weil der sich sonstwo rumtreibt), damit er mich behandeln kommt, er weiß immer den neuesten Klatsch und Tratsch, fährt zufällig genau in dem Moment an mir vorbei, als ich versuche, die 20l-Wasserflasche unsere Treppe hochzuwuchten (und reißt sie mir natürlich sofort aus der Hand)... solche Sachen, und noch viel mehr.

Also, vlnr: Wilson, Arno (Masterstudent der Uni Wien), Angel (auch langjährig treuer ecuadorianischer Feldasstistent – er hat für uns seine besser bezahlte Arbeit auf einem Touristenboot aufgegeben!), Birgit, Movil Pinzon. Und ich.

Artificial Nests

Erinnert ihr euch an Birgit? Sie hat hier jahrelang das Mangrovenfink-Projekt geleitet und war die letzten 2 Feldsaisons für mich die wichtigste Anlaufstelle für alle biologischen und lebenspraktischen Anliegen. Und dann ist sie mit ihrer Familie (Mann, 3 Kinder) von Frankreich aus losgesegelt um die Welt - um nun nach 1,5 Jahren rechtzeitig zu Beginn dieser Feldsaison auf Galapagos Station zu machen! Was für eine Wiedersehensfreude.

Außerdem unterstützt sie uns tatkräftig im Projekt. Zum Beispiel mit schon im Mangrovenwald erprobten künstlichen Nestern. Es ist nämlich nicht immer eindeutig, wer Schuld hat, wenn man ein leeres Finkennest findet. Es kann sein, dass die noch sehr kleinen Jungen gestorben sind und die Eltern die toten Küken aus dem Nest geworfen haben. Es kann aber auch sein, dass Eier oder Küken geräubert wurden. Nur von wem? Zumindest potentielle Eierräuber lassen sich mit der "Artificial Nest"-Methode ganz gut identifizieren.
Man hängt also aus Kokosfasern gebaute Nester auf, in denen sich an Drähten befestigte Plastillin-Eier befinden, die mit Eigelb bestrichen sind (damit sie nicht nur nach Ei aussehen, sondern auch nach Ei riechen). Und wenn nun eine Ratte, eine Maus, irgendein Vogel oder was auch immer sich an den Eiern zu schaffen macht, hinterlässt das Spuren in der Knetmasse – denn wegtragen können sie die Eier nicht, sie sind ja fest an Drähten verankert. Clever, oder?
Ein typisches von Ratten angenagtes Ei sieht dann so aus:

Und wir so

Ich erzähl immer von Bruterfolgs-Studien, aber ihr fragt euch bestimmt (!), was genau wir eigentlich den ganzen Tag machen. Typischerweise verbringen wir die ersten 6-8 Stunden des Tages direkt oben im Scalesia-Wald. Erst mal suchen wir Nester von Warbler Finches und Small Tree Finches. Die findet man entweder durch Hingucken (es sind typischerweise grüne Bälle aus Moos in den äußeren Zweigen der Scalesia-Bäume; gerade Warbler Finches bauen aber gern Nester die fürs menschliche Auge unsichtbar in schon vorhandenen Moosauflagen der Äste verschwinden) oder durch Hinhören (wenn das Männchen ein Nest hat, singt es oft in der Nähe, um Weibchen anzulocken. Wenn es schon ein Weibchen hat, hört man oft die typischen Kontaktrufe und muss dann nur noch warten, bis das Pärchen einem sein Nest "zeigt"). Das klingt jetzt eindeutiger und einfacher als es sich meist in der Praxis darstellt. Ein Nest finden kann gut bedeuten, sich erst mal 2 Stunden durch die Mora zu schlagen mit der Machete – und dann haben wir oft Nester, die von Warbler Finch Pärchen gebaut werden, dann von einzelnen Small Tree Finch Männchen mit Gewalt übernommen werden, ein paar Tage später einfach verlassen sind – und plötzlich brüten Small Ground Finches darin. Verrückt.
Aktive Nester unserer beiden Fokus-Arten jedenfalls werden markiert und alle paar Tage besucht, um durch Beobachtung herauszufinden, in welchem Status sie sich befinden – also ob es schon ein Weibchen gibt, ob noch gebaut wird (das Weibchen macht den Innenausbau), oder ob schon Eier gelegt werden. Sobald gebrütet wird, machen wir mindestens alle 3 Tage Nestkontrollen mit einer endoskopischen Kamera (praktisch, weil die Nester eben oben geschlossene Kugeln sind, mit einem kleinen Eingang an der Seite, durch den man mit dieser Kamera reingucken kann), um zu sehen, wie viele Eier drin sind und ob schon Junge geschlüpft sind. Sobald ein Nest z.B. von Ratten geräubert wurde oder die Jungen gestorben sind, schneiden wir es herunter und nehmen es mit. Wenn die Jungen länger überleben, kommen wir gegen Ende der Nestlingszeit jeden Tag, um zu sehen, ob sie die letzten Tage schaffen und ausfliegen. Sobald sie das Nest verlassen haben, schneiden wir es ebenfalls runter und nehmen es mit.
Nachmittags dann gucken wir die mitgenommen Nester nach Fliegenlarven durch – die sitzen nämlich in den inneren Polsterschichten. Wir sammeln die Larven und Puppen raus, zählen sie und bewahren die älteren, die sich schon ohne weitere Nahrung verpuppen können, auf, um die erwachsenen Fliegen dann weiterzugeben an andere Forschergruppen. Wir schauen auch nach den Superparasiten (bisher noch keine gefunden), und natürlich gucken wir uns die toten Küken an und suchen nach Anzeichen für Fliegenbefall – denn es kann ja auch sein, dass sie nicht wegen Philornis gestorben sind.


Das sind die Hauptaspekte der Arbeit, aber es gibt noch einige kleine Nebenprojekte... und immer alle Hände voll zu tun.

Was lockt die Fliege ins Finkennest?

Eine andere Wissenschaftlergruppe aus den USA saugt mit kleinen Pumpen die Luft aus Finkennestern in verschiedenen Stadien, um die Geruchsstoffe darin zu analysieren und herauszufinden, welche Komponenten denn nun die Philornis anlocken. Auf der Basis dieser Ergebnisse kann man dann evtl. wirksame Fliegenfallen entwickeln.
Es war bei diesem Nest eine ziemliche Aktion, den Schlauch am Nest anzubringen – aber die beiden Finkeneltern haben währenddessen ganz in Ruhe ihre Küken weitergefüttert, als wäre nichts Besonderes los. Einer vom Nationalpark war dabei, um sich die Methode anzugucken und abzusegnen - und wir waren alle sehr froh, dass weder das Anbringen des Schlauchs noch das laute Pumpengeräusch die Vögel zu stören scheint.


Selbstbedienungstankstelle für Insektizide

Ich will euch mal zeigen, was andere Wissenschaftler-Gruppen so machen, als Resultat des Philornis-Workshops im Februar. Diese Idee der Insektizidtankstelle wurde geboren, als mittags während der Siesta immer wieder Finken auf die Terrasse der Wissenschaftlerunterkünfte kamen, um Baumwollfasern aus den Hängematten zu stehlen zum Auspolstern ihrer Nester. Um die Philornis als Notfallmaßnahme kurzfristig einzudämmen, hat sich nämlich bewährt, die Nester der Vögel von innen mit Insektiziden zu besprühen. Das ist aber nur anwendbar bei Nestern, die sehr niedrig gebaut und so mit Leitern erreichbar sind (z.B. in der Trockenzone in Kakteen). Bei uns oben im Scalesia-Wald sind die meisten Nester auf 7-8m Höhe, im Mangrovenwald sogar bei 20m – und außerdem so weit außen im Baum, dass sie für Menschen unerreichbar sind. Warum also nicht den Bedarf an weichem Polstermaterial ausnutzen und die Vögel das Insektizid selber in ihre Nester tragen lassen? Dazu läuft gerade eine Vorstudie mit diesen Wattespendern (erst mal mit trockener Watte, später wird die dann mit Insektizid getränkt), um zu sehen, wie gut sie angenommen werden. Die Ergebnisse sind noch nicht da, aber wir haben einige Vögel mit Watte im Schnabel umherfliegen sehen – jetzt muss sich das nur noch unter den Viechern rumsprechen!


Mittwoch, 7. März 2012

Raus aus dem Nest. Und dann?

Wenn sie das Nest verlassen haben, werden die Küken noch mal mindestens 3 Wochen von den Eltern gefüttert. In dieser Zeit sterben wieder einige, vor allem wenn sie von Philornis geschwächt waren.
In der ersten Woche nach dem Ausfliegen sitzen die Küken ganz still in einem dichten Busch in Nestnähe und warten auf ihre 5-minütlichen Mahlzeiten. Später dann, wenn sie schon etwas kräftiger sind und ihnen ein Schwanz gewachsen ist, hört man schon von weitem ihre Bettelrufe, mit denen sie den Eltern auf die Nerven gehen. Trotzdem, oder gerade deswegen, bleiben sie immer im dichten Buschwerk, denn mit ihrem Gepiepe locken sie natürlich Fressfeinde an. Vor allem die Sumpfohreule schnappt sich gern mal ein kleines Küken, gern auch schon aus dem Nest. Blöderweise fangen die Küken nämlich im Alter von ca. 8 Tagen an, laut zu betteln, wenn sie denken, dass die Eltern in der Nähe sind. Man möchte ihnen am liebsten die Schnäbel zuhalten... denn so verlieren wir (und sie!) jede Woche 1 Nest an die Eulen.

Da die erfolgreichen Bruten in dieser Feldsaison nun erst so spät hochzukommen scheinen, haben wir leider keine Zeit mehr, uns die Überlebensraten der ausgeflogenen Küken anzuschauen. Wenn es ein "nächstes Mal" gibt, müssen wir unbedingt länger bleiben!

Hier, wie versprochen, ein Foto von einem der ersten ausgeflogenen jungen Warbler Finches (neben dem stolzen Papa):


Füttern, füttern, füttern

Sind die Küken dann mal geschlüpft, geht die Arbeit erst so richtig los. Beide Elternteile suchen den ganzen Tag Futter, um die 2-3 hungrigen Mäuler zu stopfen.


Da ein Teil des Futters gleich in der nächsten Nacht in Form von Blut weitergegeben wird an die Philornis-Larven, ist diese Phase der Kükenaufzucht ein Wettlauf gegen die Zeit. Wird ein Küken zu schwach, um sich aufrecht zu halten, stellt sich das andere meist einfach oben drauf, um seinerseits den Saugattacken der Larven, die aus dem Nestboden gekrochen kommen, zu entgehen. Was das kräftigere Küken zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß: Wenn sein Geschwisterchen stirbt, werfen es die Eltern aus dem Nest. Und dann stürzen sich alle Larven natürlich auf das verbleibende Küken, welches diese Attacke wiederum meist nicht überlebt.
Es gilt also, mindestens zwei Küken gleichzeitig kräftig zu erhalten, dann haben sie eventuell eine Chance zu überleben. Ach, und dann sind da ja noch die Ratten...

Wir warten jedenfalls immer noch auf das zweite erfolgreiche Nest, haben aber schon ein paar aussichtsreiche Kandidaten!

Brüten, brüten, brüten.


Es ist schon ein hartes Geschäft. Man baut ein Nest, oder zwei, versucht ein Weibchen von der eigenen Qualität und der des Nestes zu überzeugen, startet dann mit ihr zusammen den Innenausbau, füttert sie immer wieder, um ihr zu zeigen, dass man für sie mit sorgen kann, und wartet dann auf den Regen. Sobald der Regen kommt, werden die ersten Eier gelegt.
Und dann muss schon vieles zusammenkommen, damit überhaupt die Küken schlüpfen können: Das Nest darf nicht zu exponiert sein, sonst regnet's zu viel rein. Es muss genug Insekten geben, um das auf den Eiern sitzende Weibchen versorgen zu können. Dann wärs noch gut, wenn die Eier überhaupt befruchtet sind (es kann z.B. sein, dass zu nah verwandte Partner untereinander keine fruchtbaren Eier zustande bringen). Und dass der Regen nicht plötzlich wieder aufhört. Wenn man dann das Glück hat, dass keine Ratten oder andere Räuber das Nest finden, stehen die Chancen auf schlüpfende Küken ganz gut. Hier ein Screeshot aus einem Video – wir haben zufällig genau beim Schlüpfen ins Nest gefilmt.


Vor allem am Anfang der Brutsaison haben viele Paare beider Finkenarten das Bebrüten der Eier frühzeitig aufgegeben. Bei manchen Nestern konnten wir Vermutungen über die Gründe anstellen.
Aber dann wurden wir mißtrauisch, weil es immer mehr verlassene Gelege gab, bei denen wir uns nicht vorstellen konnten, was passiert war. Wir haben dann angefangen, diese Nester einzusammeln und auf Philornis-Befall zu untersuchen. Die Experten meinen zwar, dass die Fliegenweibchen erst kommen und ihre Eier legen, sobald die Küken geschlüpft sind (und die Larven sich dann von den Küken ernähren) – aber wir haben in einigen der aufgegeben Nestern auch schon weit entwickelte Fliegenlarven und sogar fertige Puppen gefunden. Sehr wahrscheinlich kommen also die Fliegen schon vorher, und die Larven fressen wohl auch an den brütenden Weibchen. Es ist schwer vorstellbar, wie ein erwachsener, wehrhafter Vogel das zulassen kann, anstatt seinerseits einfach die ihn pisackende Larve zu fressen, aber wir haben keine andere Erklärung.
Es kann also gut sein, dass manche Weibchen ihre Gelege aufgeben, weil sie einfach nachts von Fliegenlarven angebohrt werden. Verständlich! Aber bisher nur Theorie.

Wenn also irgendetwas schiefgegangen ist in diesem komplizierten Prozess, versuchen es die meisten gleich noch einmal. Noch ein Nest bauen, dann meist zusammen mit dem Weibchen, noch mal Eier legen, und diesmal auf mehr Glück hoffen.

Nachwuchssorgen

Wir untersuchen hier also den Bruterfolg zweier Finken-Arten. Oder eher den Brut-Mißerfolg. Bestands-Zählungen haben nämlich nahegelegt, dass in den letzten Jahren der Warbler Finch extrem abgenommen hat, der Small Tree Finch (mit einer ähnlichen Ökologie) hingegen recht stabil geblieben ist. Die Vermutung war nur, dass Warbler Finches, weil sie etwas kleiner sind als Small Tree Finches, mehr unter Philornis zu leiden haben.

Stimmt aber gar nicht. Es scheint sogar andersrum zu sein: Die kräftigeren Small Tree Finches haben einen viel geringeren Bruterfolg als die zierlichen Warbler Finches. Das fiel bei den Zählungen gar nicht auf, weil bei dieser Methode nur singende Männchen (also Brutreviere) gezählt werden. Und da liegt die Gefahr: Da Finken ziemlich langlebig sind (8-10 Jahre hat man schon nachweisen können), fällt es erst mal gar nicht auf, wenn sie jahrelang keinen Nachwuchs hochkriegen, solange die Eltern selber noch leben.

Zum Glück gibt es bei den Small Tree Finches ein kleines Hilfsmittel, um indirekt den Bruterfolg der letzten paar Jahre feststellen zu können: Die Köpfe der Männchen werden Jahr für Jahr immer schwärzer, man kann also anhand der Kopffärbung das Alter der Männchen ungefähr abschätzen [Foto links: mindestens 5-jährig, Foto mitte: ca. 2-jährig, Foto rechts: max. 1-jährig].


Tja, und im Scalesia-Wald wimmelt es nur so vor schwarzköpfigen Tieren (mindestens 4 Jahre alt). Es gibt zwar auch wenige jüngere Männchen und sehr vereinzelt noch nicht geschlechtsreife Jungtiere (erkennbar an ihrem gelben Schnabel, und, bei den Männchen, an ihren Gesangsübestunden – herrlich, ihnen dabei zuzuhören, wie sie versuchen, Töne zu treffen und zu halten, oder einen Rhythmus zu entwickeln!), aber ihre geringe Zahl lässt vermuten, dass es ein generelles Nachwuchsproblem gibt.



Alte Bekannte

Der Knüller: Beim Nestersuchen haben wir 3 Small Tree Finch Männchen wiedergefunden, die wir fürs letzte Projekt (2008) gefangen hatten, um sie für ein paar Wochen in Volieren zu halten und ihnen Kognitions-Aufgaben zu stellen (ihr erinnert euch? Probleme wie "Wie kriegt man diese Box auf?" oder "An welchem Ende des Drahtes muss ich ziehen, um die Belohnung aus der Röhre zu befördern?"). Sie brüten genau in den Revieren, aus denen wir sie damals weggefangen hatten!

Und Yellow-white (wir benennen sie nach ihren Ringfarben, wie ihr ja längst wisst), der sich diesen Aufgaben als einziger komplett verweigert hatte, ist jetzt der absolute King im Wald, der mit dem größten Revier, der, der sogar neben den Nestern seiner Nachbarn ungestraft singen darf – was normalerweise ein Kapitalverbrechen ist. Was wir noch wissen: Er ist schon mindestens 8,5 Jahre alt!

Jedenfalls, Intelligenztests hin oder her – alle 3 sind mit ihren ersten Brutversuchen gescheitert, und 2 von ihnen haben gerade die zweite Runde gestartet. Vielleicht sollten wir nächstes Mal in den Volieren lieber ein praxisorientiertes Fortpflanzungstraining anbieten anstelle von abstrakten Denkaufgaben.

Dienstag, 28. Februar 2012

Die Nachricht, auf die wir die ganze Zeit gewartet haben:

Nach 60 gescheiterten Nestern (gescheitert bedeutet, dass keine Küken lebend das Nest verlassen haben) sind endlich die ersten beiden Küken flügge geworden! Das erfolgreiche Nest heißt WFSCS10, was bedeutet, dass es ein Warbler Finch Nest in der Scalesia Zone ist, gefunden von Sophia, und zwar als zehntes. Ha. Ich nenn die Küken einfach Karl und Klara. Und hoffe sehr, dass sie die nächsten Tage und Wochen auch noch überstehen! Sie sind zwar jetzt den blutsaugenden Larven im Nest entkommen, sind aber wahrscheinlich unterentwickelt, viel leichter als sie sein sollten, und ziemlich geschwächt durch die allnächtlichen unfreiwilligen Blutspenden.

Und damit ihr noch mal ne Vorstellung habt von der schieren Masse der Philornis-Larven, hier ein Bild von einem Küken, das kurz vor dem Ausfliegen war, dann aber verständlicherweise aufgegeben hat. Ich frage mich eher, wie es überhaupt so groß werden konnte in 2 Wochen, bei den ganzen Mit-Essern.


Fotos von den flüggen Küken folgen hoffentlich bald!

Endlich wie früher

Das Galapagos-Gefühl ist zurück! Es nährt sich aus der neuen Nada Surf Platte, der weichen Luft, dem Geruch der Regenzeit, sehr guten Büchern, extremer Schlaflosigkeit und lange überfälligem erfüllendem Sozialkontakt zu anderen "Visiting Scientists" inkl. langen Ausgehabenden in DIE lokale Bar - wobei wir unseren eigenen DJ mitgebracht haben, was den Einheimischen aber auch sehr gut gefallen hat- und nächtlichen Exkursionen zum Stationsstrand (es gibt dort Ruderfußkrebse, die anfangen zu leuchten, wenn man sie berührt... Sternenhimmel unter Wasser, sag ich euch!). Und ich bin dieses Jahr nicht die letzte, die wieder abreist. Muss also nicht so viele Abschiede ertragen, nur einen großen am Schluss. Ach, wir sehen uns eh alle wieder – nächstes Jahr, falls wir Gelder bewilligt bekommen (träumen ist erlaubt, nech?)!

Montag, 13. Februar 2012

Riesensonnenblume vs. Killerbrombeere II

Die Vor-Experimente zur Bekämpfung der Mora mittels eines spezifischen Rost-Virus haben bisher keine Erkenntnisse gebracht. Es wurde also weiter großzügig Roundup gesprüht, was einfach den gesamten Unterwuchs abtötet.
Eigentlich sollte bei den dann aus Samen nachwachsenden Pflanzen (Büsche, junge Scalesia, Kräuter, und eben wieder Mora) die Mora per Machete entfernt werden, bevor die wieder neue Samen bilden kann. Da aber so große Flächen auf einmal gesprüht wurden, war diese aufwändige Arbeit mit dem Personal des Nationalparks gar nicht zu schaffen und wurde daher gar nicht erst angegangen. Resultat: Die 2010 gesprühten Flächen (vorher ein Mix aus Mora und einheimischen Büschen) sind wieder komplett mit einer dicken Mora-Decke zugewuchert. Ein sehr kleiner Teil immerhin wurde gleich nach dem Roundup-Einsatz mit jungen Scalesia aufgeforstet, die jetzt einigen Vorsprung vor der nächsten Mora-Generation haben und vielleicht hoch genug gewachsen sein werden, wenn die Mora neu auskeimen.


Derjenige in der Nationalparkverwaltung, der für die Morabekämpfung zuständig war, wurde vor 2 Wochen gefeuert wegen mangelnder Qualifikation (wie auch 60 weitere Angestellte der Parkverwaltung). Ich hoffe nur, das bedeutet, dass jemand Fähigeres nachrückt. Neu angestellt werden im Park übrigens nur junge Leute bis 25. Jemand Interesse?

Riesensonnenblume vs. Killerbrombeere I

Ihr wisst jetzt, die Scalesia ist ein zerbrechliches Geschöpf. Trotzdem hat sie es über Jahrtausende geschafft, die mittleren Höhenlagen der Inseln bewaldet zu halten. Weil diese Höhenlagen aber auch am besten für die Landwirtschaft geeignet sind (nicht zu heiß, ganzjährig feucht), wurden die Urwälder zum größten Teil gerodet. Auf San Cristobal gibt es schon keine nennenswerten Scalesia-Wälder mehr, und der Restbestand hier auf Santa Cruz ist auf wenige Hektar zusammengeschrumpft. Und, wie ihr vielleicht noch aus den letzten Jahren wisst, wird diese auf kleinem Raum zusammengedrängte Restpopulation nun auch noch von 4m hoch wuchernden Brombeeren (Mora) heimgesucht. Die können den ausgewachsenen Scalesia zwar nichts anhaben und werden außerdem gern von den Finken als zusätzliche Futterquelle genutzt und schützen deren Nester vor Ratten – aber auf lange Sicht verhindern sie das Nachwachsen junger Scalesia oder wichtiger einheimischer Büsche [Foto unten: untere Bildhälfte: Mora. Darüber Scalesia]. Wenn also die jetzt erwachsenen Bäume alle in ein paar Jahren aus Altersschwäche umkippen, wuchert die Mora alles zu und das war's dann mit dem Scalesia-Wald.

Darf ich vorstellen: Scalesia pedunculata.

Dieser Scalesia-Wald, in dem wir arbeiten, ist schon ein Kuriosum. Wenn man die Scalesia als Bäume betrachtet, kann man eigentlich nur den Kopf schütteln. Werden nur ca. 15 Jahre alt und kippen dann um. Sie kippen auch um, wenns mal heftiger geregnet hat, weil sich dann ihre Stämme und das ganze Moos und die Flechten, die an ihnen hängen, so mit Wasser vollsaugen, dass sie das Gewicht nicht mehr tragen können. Wenns mal ein bißchen Wind gibt, kippen sie auch um, denn sie haben kaum Wurzeln. Außerdem stehen sie oft nur wenige Zentimeter tief in Erde, wenn nicht direkt auf der nackten Lava – das gibt kaum Stabilität, und, genau, sie kippen leicht um.

Wenn man sie aber sieht als das, was sie eigentlich sind, nämlich Sonnenblumen mit Riesenwuchs, dann kann man nur staunen, dass sie es überhaupt so weit gebracht haben. Ganz junge Scalesia sehen noch genauso aus wie Sonnenblumen. Sie wachsen so schnell wie Sonnenblumen, zumindest am Anfang. Aber da sie so alt werden, wachsen sie mehr als 15m hoch. Und sehen dann aus wie richtige Bäume, mit holzigem Stamm, verzweigten Ästen, und Blättern an deren Enden (aber eben nur wenigen kleinen Wurzeln).

Wenn man die Rinde der Bäume entfernt, riecht die auch nach Sonnenblume. Ihre Samen sind Miniatur-Sonnenblumenkerne. Die Blütenstände sehen aus wie winzige weiße Sonnenblumen mit zu klein geratenen Zungenblüten. Und wenn man sich mal so einen umgeknickten Stamm anschaut (leicht zu finden, Wind und Regen haben Mikado gespielt in den letzten Tagen!), ist der nicht etwa massiv aus Holz, sondern hat innen so einen weißen Markstrang, wie die Sonnenblumen.

Und: Die Scalesia sind das Zuhause der Baumfinken in dieser Höhenzone. Small Tree Finches, Large Tree Finches und Woodpecker Finches fressen und nisten in ihnen. Sie sind auf die Scalesia angewiesen, weil sie in den höheren, gröber verzweigten eingeschleppen Baumarten wie Sinchona oder Avocado keine Nester bauen könnten. Gut für uns, denn an die niedrigeren Nester in den Scalesia kommen wir besser ran zum Reingucken!



Samstag, 11. Februar 2012

Umzug #187327

Schluss mit der Wissenschaftlerromantik, jetzt wird's ecuadorianisch! Wir sind aus unserem Anfangsdomizil weggezogen, diesmal richtig weit rein in die Stadt, in ein Arbeiterviertel. Es ist laut und hässlich und stinkt und die Recyclingtonnen werden für alles mögliche benutzt, aber nicht für Reclyclingmüll.
Die Wohnung besteht aus Wänden, Wellpappe-Dach, kitschigen Vorhängen und einem großen Fernseher. Es regnet rein, oder besser: durch. Dennoch bleibt das Wasser so lange in der Wohnung, bevor es weiterläuft, dass es alles in Boden- und Wandnähe durchnässt. Wir kochen kaum noch selbst (eh keine Zeit), essen dort, wo die Einheimischen essen, kaufen dort ein, wo sie einkaufen, und schlafen ein unter dem allabendlichen Lärm-Mix aus ihren Rufen, dem Geschrei ihrer so lange aufbleibenden Kinder, dem Jaulen ihrer misshandelten Hunde und ihrer immer übersteuerten Musik.

Leider haben wir in der alten Wohnung auch unseren treuen Freund, den Bananenwächter, zurücklassen müssen – seitdem müssen wir unsere ständig wachsenden Bananenberge (unser Feldassistent deckt uns ein) mit Fliegenschwärmen teilen.

Es ist zur Zeit sehr schwierig, gute Wohnungen zu finden, auch für die Einheimischen. Mal sehen, was sich für März ergibt. Vielleicht fühlen wir dann schon zu ecuadorianisch um wegzuwollen.

Samstag, 4. Februar 2012

Finken vs. Fliegen III

Was haben wir nun mit all dem zu tun? Vorwiegend erfassen wir den diesjährigen Bruterfolg von Small Tree Finches und Warbler Finches in der Scalesia-Zone, um einschätzen zu können, inwieweit die Populations-Einbrüche von 2010 auch der sehr feuchten Witterung in dem Jahr geschuldet sein könnten (Philornis mags feucht und vermehrt sich dann sehr stark).

Wir schauen also, wie viele Nester in diesem (hoffentlich durchschnittlich feuchten) Jahr durchkommen. Und bei denen, die nicht erfolgreich sind, versuchen wir herauszufinden, was die Ursache dafür ist. Dafür sammeln wir die leeren Nester ein, suchen nach Fliegenlarven, untersuchen eventuell vorhandene tote Küken und gucken sonst nach Indizien für z.B. Prädation durch Ratten.

Außerdem sammeln wir alle Larven und Puppen der Philornis aus den Nestern. Diese halten wir einige Zeit, um zu sehen, ob Superparasiten schlüpfen. Wenn sich aus den Puppen normale Philornis-Fliegen entwickeln, geben wir diese weiter an die anderen Arbeitsgruppen, die sich z.B. mit der Pheromonsuche beschäftigen oder versuchen, eine Fliegenzucht aufzubauen, um später in der Lage zu sein, massenhaft sterile Fliegen produzieren zu können. Die Zucht ist bisher noch nicht gelungen, weil keiner weiß, wovon sich die Larven in ihrem ersten Stadium genau ernähren. Sowieso sind einige wichtige Aspekte aus der Biologie und Ökologie dieser Fliege noch komplett unbekannt. Um den Feind effektiv bekämpfen zu können, muss man ihn aber erst mal kennenlernen – mit all seinen Superkräften und Schwachstellen.

Und wir arbeiten daran, alle zusammen.

Finken vs. Fliegen II

Nun sind vor allem kleine insektenfressende Vogelarten hier mittlerweile zum Teil sehr stark bedroht. Was also tun, um sie zu schützen?

In diesen Tagen ist Philornis downsi in aller Munde (zum Glück nicht buchstäblich!). Gerade ist ein mehrtägiger Workshop hier in Puerto Ayora zuende gegangen, auf dem sich Experten aus Ornithologie, Entomologie und Conservation endlich mal zusammengesetzt haben um alle bisher bekannten Infos zusammenzutragen und Rettungspläne zu entwerfen.

Es gibt verschiedene Ansätze, die Philornis unter Kontrolle zu bringen: Zur Soforthilfe sollen Insektizide in die Nester der am schlimmsten betroffenen Arten eingebracht werden, damit die überhaupt ein paar Bruten hochbekommen. Langfristig werden jetzt verschiedene Programme gestartet: zum einen sollen Pheromone identifiziert und dann produziert werden, die im Feld zur Verwirrung der Männchen eingesetzt werden können und so Paarungen und Weitervermehrung verhindern. Eine weitere Chance könnte das massenhafte Ausssetzen sterilisierter Männchen sein – dafür war ein Vertreter der IAEA (!) beim Workshop dabei, der mit dieser Methode z.B. schon die TseTse-Fliege auf Sansibar ausrotten konnte. Warum IAEA? Stichwort "friedliche Nutzung der Atomenergie": die Insekten werden am effektivsten noch durch radioaktive Bestrahlung sterilisiert.

Eine Möglichkeit der biologischen Kontrolle könnte ein "Superparasit" sein: Eine Schlupfwespe, die ihrerseits die Larven der Philornis parasitiert und damit tötet. Es wurden schon zwei Arten solcher Schlupfwespen hier auf den Inseln gefunden, die sich aber, weil sie zu unspezifisch in ihrer Wirtswahl sind, nicht für eine großfläche Bekämpfung eignen. Tests mit einer anderen Schlupfwespenart, die auf dem Festland nur in Larven von Philornis-Arten ihre Eier ablegt, laufen jetzt an.

Irre jedenfalls, wie viel in so wenigen Tagen angestoßen werden konnte, einfach weil man mal die richtigen Leute zusammen an einen Tisch gesetzt hat. Für so Mammutprojekte wie die Sterile Insect Technology fehlt zwar noch das Geld (die Rechnung des IAEA-Menschen kommt auf 50 Mio US$ für die komplette Ausrottung auf allen Inseln des Archipels...), alle anderen Ansätze haben aber zumindest für die Startphase schon ihre Fundings zusammen.



Finken vs. Fliegen I

Die parasitische Fliege Philornis downsi wurde schon 1997 hier entdeckt (eingeschleppt wurde sie wahrscheinlich schon 30 Jahre früher, stammt aus Trinidad) und ist mittlerweile zu einem massiven Problem geworden.


Die Weibchen legen ihre Eier in die Vogelnester, sobald die Küken geschlüpft sind, und wenige Stunden später entwickeln sich die Larven. Diese kriechen dann nachts aus dem Nestboden heraus um sich in die Küken zu bohren und deren Blut zu saugen.Manche Küken überleben das, aber bei starkem und / oder frühem Befall können sie schon nach wenigen Tagen sterben.




Betroffen sind alle bisher untersuchten Vogelarten hier auf den meisten Inseln (ich meine, 2 der bisher untersuchten Inseln sind noch Philornis-frei) – wobei die größeren Arten die nächtlichen Attacken eher überleben als die kleinen, bei denen ein Tropfen Blutverlust schon fatal sein kann.
Ein Besipiel für die Dimensionen dieser Gefahr: 2010 waren nur 2 von 31 gefundenen Small Tree Finch Nestern erfolgreich (das heißt: mindestens 1 Junges ist ausgeflogen). Von den 29 Totalausfällen sind mindestens 40% auf Philornis-Befall zurückführbar.

Dienstag, 31. Januar 2012

Galapagos 3.0

Da sitze ich also wieder auf den Inseln. Man hatte mich damals schon auf das Suchtpotential eines längeren Galapagos-Aufenthalts hingewiesen, und als ich vor knapp 3 Jahren die Inseln zum zweiten Mal verließ, glaubte ich auch nicht so recht an einen Abschied für immer.

Also: schnell ne richtige Biologin geworden und für ein reines Conservation-Projekt zurückgekommen. Es geht diesmal um den Warbler Finch (der kleinste der Darwinfinken), der in seinen Bestandszahlen so rapide abgenommen hat in den letzten Jahren. Wir schauen nach, wie`s diese Saison um seinen Bruterfolg bestellt ist und was seine größten Probleme dabei sind.
Verdächtig bisher: eine eingeschleppte parasitische Fliege (Philornis), deren Larven den Küken im Nest nachts das Blut aussaugen; und diverse Nesträuber und andere Probleme, die durch die chemische Bekämpfung der Brombeere im Scalesia-Wald (ihr erinnert euch?) begünstigt werden.

Jedenfalls spannend! Details folgen, sobald mal etwas Zeit übrig bleibt. Bis dahin einfach dieses Bild anstarren: